Wovon reden wir eigentlich?

 

Definitionen und Bemerkungen für bündische Gespräche

Versuch eines Bündischen Lexikons


ALEXEJ STACHOWITSCH („AXI“)  

Ein Gespräch, bei dem die Gesprächspartner mit gleichlautenden Ausdrücken nicht das Gleiche meinen, führt zu keinem Ergebnis. Worte und Begriffe verändern im Laufe der Zeit oft ihre Bedeutung, manchmal bis zum geraden Gegenteil des ursprünglichen Inhaltes. Das Wort "Elite" z. B. bedeutete bisher etwas Positives, einen ausgesucht guten Kreis wesentlicher Menschen. Heute kann es geschehen, daß "Elite" und "elitär" als Schimpfwörter gebraucht werden. Ähnliches gilt von den Begriffen "konservativ", "heil" (heile Welt!"), "volks- oder erdverbunden", "soldatisch" usw. Andere Begriffe wurden schillernd und unklar, wie "faschistoid", autoritär", "demokratisch" ("volksdemokratisch!") und viele andere.

Kurz gesagt, vor einem Gespräch kläre man die Begriffe.

Das gilt auch für den bündischen Bereich. Ich hatte einmal, als Lektor für die Geschichte der Jugendbewegung an einer Universität, Vorlesungen über dieses so vielfältige Gebiet zu halten. Wahrscheinlich hatte ich selbst am meisten davon, denn ich wurde zu klaren Definitionen und Gliederungen gezwungen. Vielleicht werden einige mit meinen Begriffsbestimmungen nicht einverstanden sein, und sie sind auch mit keinem der in dieser Schrift vertretenen Autoren abgestimmt worden, aber sie mögen dennoch eine kleine Hilfe für alle diejenigen sein, denen es um das "Bündische" zu tun ist. Die den Definitionen angeschlossenen Bemerkungen geben meine eigene Meinung wieder, für die ich auch allein verantwortlich zeichne.

Jugendbewegung

Historisch die seit etwa 1897 von Steglitz bei Berlin ausgehende Schüler- und Studentenbewegung, die zunächst einfach aus Freude an abenteuerlichen Wanderfahrten in Gruppen und dem Ausbrechen aus dem behüteten und als heuchlerisch empfundenen Eltern-, Schul­ und Kirchenmilieu begann, sich dann um eine gemeinsame Sinngebung mühte und schließlich ihren besten Ausdruck in der bekannten „Meißner Formel“ (Treffen auf dem Hohen Meißner Oktober 1913) fand:

„Die Freideutsche Jugend will aus eigener Bestimmung, vor eigener Verantwortung, 
mit innerer Wahrhaftigkeit ihr Leben gestalten. 
Für diese innere Freiheit tritt sie unter allen Umständen geschlossen ein. 
Zur gegenseitigen Verständigung werden Freideutsche Jugendtage abgehalten. 
Alle gemeinsamen Veranstaltungen der Freideutschen Jugend sind alkohol- und nikotinfrei."
 

Erwachsene waren von vorneherein in der Jugendbewegung tätig, allerdings nur solche, die von der Jugend akzeptiert und als zugehörig betrachtet wurden. Die Jugend wollte selbst etwas aus sich heraus und nicht weil Erwachsenenverbände Nachwuchs brauchten. Immer war, oft unausgesprochen, das Streben nach dem "Guten, Schönen und Wahren" maßgebend. Freiwilligkeit war Voraussetzung. Kameradschaft und Freundschaft (siehe diese) spielten eine entscheidende Rolle, zwischen der Freiheit des Einzelnen und der Bindung in der Gruppe wurde eine harmonische Synthese gesucht, eine natürliche, in Geist und Praxis freie Lebensweise immer angestrebt. Jeder Einzelne wurde als freie, eigenständige Persönlichkeit betrachtet, mit der Möglichkeit des ungehinderten Beitrags zu der Meinungsbildung der Gemeinschaft, deren Mitgliederzahl immer überschaubar blieb. Es wurde aber eine Einordnungsbereitschaft vorausgesetzt, deren Grenzen nicht bei eigenen Wunschvorstellungen, sondern im Gewissen jedes Einzelnen lagen. Im Allgemeinen wurde ein klares Ausleseprinzip verfolgt. Führer war man auf Dauer nicht durch Ernennung, sondern durch die Anerkennung durch die Geführten.

In der Praxis beschränkte sich die Jugendbewegung auf den deutschsprachigen Raum Mitteleuropas.

Die Meinungen darüber, ob die Jugendbewegung mit dem 1. Weltkrieg oder der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten 1933 ein Ende gefunden habe oder noch bis heute weiterlebe, sind geteilt.

Wandervogel

Der aus dem Steglitzer Schülerkreis unter Hermann Hoffmann hervorgegangene und 1901 offiziell gegründete und so genannte Jungenbund, dessen bekanntester Führer Karl Fischer war, ursprünglich ziemlich monarchisch-autoritär geführt, galt für die Lebensform der fahrende Schüler oder Scholar des Mittelalters als Vorbild. Sehr bald schon (ab ca. 1904) spaltete sich dieser Ur-Wandervogel in zahlreiche Bünde, die aus persönlichen oder sachlichen Gründen (Aufnahme von Mädchen und Lehrlingen, demokratische Führungsprinzipien u. a. ) etwas abweichende Formen annahmen, aber im allgemeinen dem Wandervogelgedanken treu blieben und sich gegenseitig trotz aller Streitigkeiten als "zugehörig" anerkannten. Es gab u. a. den Altwandervogel (AWV), den Wandervogel e.V., den Jungwandervogel, den Wandervogel Deutscher Bund und viele andere.

Der erste und wichtigste Geschichtsschreiber des Wandervogels war Hans Blüher, dessen starke Betonung der allumfassenden Freundschaft als treibender Kraft im Wandervogel heftige Auseinandersetzungen hervorrief. Aus der Wiederentdeckung des Volksliedes und der Gitarre entstand im Wandervogel durch Hans Breuer in Heidelberg das berühmte Liederbuch "Der Zupfgeigenhansl".

Der 1. Weltkrieg unterbrach die Entwicklung, doch gab es einen starken "Feldwandervogel" und in der Heimat weiterhin, meist von Mädchen geführte, Gruppen. Von etwa 12.000 ins Feld gezogenen Wandervögeln kamen nur ca. 5.000 wieder, viele fielen bei dem bekannten Sturmangriff bei Langemarck.

Nach 1918 entstanden außer den bestehenden auch neue Wandervogelbünde, so Z. B. der "Nerother Wandervogel", der durch Robert und Karl Oelbermann gegründet wurde und seither als reiner Jungenbund besteht. Mit seiner Burg Waldeck war der Nerother Wandervogel einer der lebendigsten und geheimnisvollsten Bünde der Jugendbewegung und wurde vor allem durch seine weltweiten Großfahrten und seine vielen eigenartigen und meist selbst verfaßten Lieder bekannt. Geführt wurde er nach den in den so genannten "Weistümern" niedergelegten Leitsätzen, deren Bedeutung im heutigen Nerother Bund umstritten ist.

Bündische Jugend

Historisch der Sammelname für die vielen jugendbewegten Bünde der Zeit von ca. 1919 - 1933 (bzw. bis zur Auflösung durch die Nationalsozialisten) und für die Bünde nach 1945.

Nach 1919 wurden die Formen wesentlich straffer als die des Wandervogels (z. B. gemeinsame, uniformähnliche "Kluft", Marschieren im Gleichschritt u. ä.). Vielfach wurde die Ursache für die deutsche Niederlage 1918 gesucht, was zum Entstehen nationaler Bünde führte, aber auch solcher, die sich ganz anderen und oft recht fernliegenden Leitgedanken und auch Halbwahrheiten verschrieben. Es gab sicherlich Bünde, die als Vorläufer der Hitlerjugend bezeichnet werden könnten, doch waren sie nicht in der Überzahl.

Freiwilligkeit war auch weiterhin Grundsatz, doch wurde im allgemeinen das Einhalten bestimmter Lebens- und Verhaltensregeln und ein stufenweises Aufsteigen z. B. durch Ablegen von Erprobungen gefordert. Parallelen zu historischen, oft sehr einflußreichen und staatstragenden Männerbünden (wie Ritterorden, Mönchsorden, geheime Gesellschaften u. ä.) gab es durchaus, besonders in Führer- und Älterenkreisen, bekannt wurde z. B. der "Weiße Ritter". Das Singen verlagerte sich vom Volkslied auf ein "typisch bündisches" Liedgut, oft mit mystisch-soldatischem Hintergrund, im Marschtakt, mit Landknechtstrommeln usw. Im Text kamen immer wieder Begriffe wie "jagende Rosse, Silberlanzen, gespannte Bogen, Zelte und Feuer, verlorene Haufen" u.ä. vor. Es waren im Grund nicht militaristische, sondern Lieder der Sehnsucht. Der Fahrtenstil und das Lagerleben strafften sich ebenfalls, wobei bis heute die "bewegteren" Bünde das Schwergewicht auf die "Fahrt", die gemäßigteren mehr auf das "Lager" legen. Beide Formen haben ihren Sinn, es kommt nur darauf an, sie richtig einzusetzen. Bündische Formen entstanden wesentlich auch aus der Verbindung und gegenseitigen Befruchtung von Wandervogel- mit Pfadfinderbünden (siehe diese), besonders nachdem die Pfadfinder bei der bekannten Tagung auf Schloß Prunn (1919) zum großen Teil aus einer mehr organisatorischen auf bewegtere Formen umgeschwenkt waren.

Außer der eben beschriebenen "bürgerlichen" Jugendbewegung gab es auch Ansätze zur Arbeiter-Jugendbewegung, die sich z. B. beim 1. Jugendtag des "Verbandes der Arbeiter-Jugendvereine Deutschlands" in Weimar 1920 in stark bündischem Stil zeigte, eine Richtung, die sich aber später wieder zugunsten der parteipolitischen Arbeit abschwächte. Tusk (siehe Jungenschaften) versuchte viel später, zu diesen Gruppen Verbindungen zu knüpfen, die aber weder damals noch später sehr tief gingen.

Alle Gruppen und Bünde wurden 1933-34 von den Nationalsozialisten aufgelöst, Überlebensversuche oder Bestrebungen, z. B. die Hitlerjugend (Jungvolk) zu unterwandern, enden auf die Dauer erfolglos, viele Führer werden verhaftet, manche sterben im KZ (z. B. der Führer des Nerother Wandervogels, Robert Oelbermann). Teile der bündischen Jugend arbeiten illegal weiter, was zu immer wiederkehrenden Staatsaktionen gegen sie führt.

Nach 1945 entstanden viele der alten Bünde neu und setzten sich trotz vieler Verleumdungen und Widerstände bis heute durch. Auf eine Flaute in den späten 60er und frühen 70er Jahren ist wieder ein Ansteigen des Interesses festzustellen. Grundsätzlich neue Formen sind aber nicht in Sicht und vielleicht auch nicht erforderlich.

Jungenschaften

Entstanden aus der "dj.1.11" (Deutsche Jungenschaft vom 1. November 1929), später mit dem öjk (österr. Jungen-Korps) unter Hans Graul verbunden. Gegründet von "tusk" (Eberhard Koebel) in Abkehr von den großen Bünden und sich auf kleine Gruppen ("Horten") stützend, die nach neuen Grundsätzen leben, z. B. Ablehnung von Gehorsam und Treue, "Selbsterringung", Auffassung der Gruppe nicht als Ziel-Gemeinschaft, sondern eher als Milieu zur Selbstentfaltung usw. Allerdings verfolgte tusk selbst je nach Notwendigkeit und Entwicklung keine gerade Linie, sondern variierte sie mitunter ganz erheblich. Der Versuch, mit der dj.1.11 die gesamte deutsche Jugendbewegung zu unterwandern ("rot-graue Aktion") mißlang allerdings trotz großer Hingabe und beispielhaftem Schwung. Tusk: ... "Jugend ist Entwicklung. Entwicklung ist Haß gegen den bisherigen Zustand und die Liebe zum besseren Menschen. Das wieder ist Revolution." Aber auch: "... wir wollen alles besser lernen und besser können: besser singen, besser schweigen, besser schlemmen, besser fasten, grimmig arbeiten und hemmungslos faulenzen."

Trotz aller "Selbsterringung" hatte die dj.1.11 straffe, soldatische Formen neben intensivem Ausleben aller Möglichkeiten, ausgesprochen elitäres Denken und, vor allem in der weiteren Entwicklung, ein weniger bündisches als vielmehr jugendpolitisches Wollen. In den "Garnisonen" und den "Kadetten-Korporalschaften" (an denen auch Gruppen der Arbeiter-Jugendbewegung, Agitprop-Gruppen u.ä. teilnahmen) wurden die heutigen "Kommunen" schon vorweggenommen. Als tusk sich dann offen zur kommunistischen Partei bekannte und ihr 1932 beitrat, folgten ihm allerdings nur ein kleiner Teil der Jungenschaftler.

Die dj.1.11 hat auf fast alle bündischen Formen eine starke, prägende Wirkung gehabt. tusk selbst und der Graphiker Fritz Stelzer (pauli) schufen einen eigenen Stil, der sich z. B. in den beiden Liederbüchern "Lieder der Eisbrechermannschaft" und "Soldatenchöre der Eisbrechermannschaft" niederschlug. Die Bekanntschaft mit dem russischen und vor allem kosakischen Singen (Donkosakenchor von Sergej Sharoff), die Balalaika als bündisches Instrument, die Juja, die Kohte und die Jurte, die Pelzmütze und die Rubaschka, sie alle gehen auf tusk zurück.

Eine Besonderheit bildete das von Fred Schmid gegründete "Graue Korps", das von vorneherein auf eine kleine Elite beschränkt wurde und in dem jeder sich besonders hohen Anforderungen zu stellen hatte. Von einem Angehörigen des Grauen Korps wurde eine Bewährung nicht nur in bündischen Formen, sondern in allen Lebenssituationen erwartet und ein Aufsteigen in möglichst einflußreiche Stellen der verschiedensten Berufe und Richtungen.

Hierher gehörte auch die von teut gegründete "Trucht", die sich zeitweilig mit der dj.1.11 vereinigte, dann aber wieder ihre eigenen Wege ging. Heute werden als "Jungenschaften" meist alle kleineren bewegten Gruppen bezeichnet, die "autonom" sein wollen, sich keinem größeren Bund anschließen und ihre eigenen Wege gehen.

Die heute noch bestehende dj.1.11 und andere größere Jungenschaften sehen heute vielfach ihre Aufgabe vermehrt in politischer Arbeit mit vorwiegend "progressiven" Tendenzen.

Die im Abzeichen der dj.1.11 enthaltenen drei Wellenlinien sollen die drei Wellen der deutschen Jugendbewegung versinnbildlichen: den Wandervogel, die eigentliche bündische Jugend und die Jungenschaften.

Nach 1945 werden unter der Bezeichnung "bündisch" meist alle drei Wellen verstanden, wobei dieser Ausdruck einfach als Gegensatz zu Jugendorganisationen und zur Jugendpflege (siehe diese) gebraucht wird.

Pfadfinder

Gehen alle auf die 1908 in England von Robert S. Baden-Powell (späterer Lord of Gilwell) gegründeten Boy-Scouts zurück, die nach dem Pfadfindergesetz und -versprechen in kleinen Gruppen (Sippen, Patrullen) leben und sich im Erfahren und Erleben von Abenteuer und Kameradschaft das notwendige Wissen und Können (Erprobungen) für die Bewährung in allen Lebenslagen erwerben sollen. Die "Gute Tat" und das "Allzeit bereit" geben die Geisteshaltung wieder, die sich bis heute trotz verschiedenster Anpassungsentwicklungen im Grunde erhalten hat.

Die Pfadfinder der ganzen Welt betrachten einander als Brüder und sind, soweit es sich um "anerkannte" Bünde handelt, im "Internationalen Pfadfinderbüro" vereinigt, allerdings bei Wahrung der nationalen Eigenheiten. Eine Art Pfadfinderhochschule (Waldschule, Gilwell-Park) trägt zur Einheit in den Grundideen bei. Alle vier Jahre finden große internationale Pfadfindertreffen, die "Welt-Jamborees", statt, für Ältere die "Rover-Moots".

Die deutschen Pfadfinder waren bis 1950 (zum großen Teil aus eigenem Nicht-Wollen) international nicht anerkannt, und auch heute gibt es einige deutsche Pfadfinderbünde, die darauf keinen Wert legen. Der Streit um die verächtlich "scoutistisch" genannten und die bündischen Pfadfinderformen in Deutschland ist uralt und geht meist polemisch am Wesentlichen vorbei. Eigentlich haben gerade die Scouts mit der Vorstellung gebrochen, daß man Gruppen nur aus der "tiefen Seele heraus" führen könne und solle, denn sie führten das Wissen und Können ganz planmäßig ein, so daß das eine das andere ergänzen konnte und man damit auch dem vielbesprochenen Lebensbund näher kam. Wo allerdings des Guten zuviel getan wurde und aus dem Pfadfindertum eine Art freiwilliges Schulsystem entstand, handelte man auch direkt im Gegensatz zu den Gedanken Baden-Powells, der das Abenteuer und nicht die Schulbank in die Mitte seiner Pfadfinderidee stellte. Zu den jetzt bei uns als "bündisch" anerkannten Lebensformen haben die Pfadfinder jedenfalls ohne jeden Zweifel sehr viel beigetragen und tun es heute noch. Es ist allerdings notwendig, in dieser Frage jeden einzelnen Bund und fast jeden Stamm gesondert zu betrachten, um festzustellen, ob er zum bündischen Bereich zu zählen ist oder nicht.

Jugendorganisation

Geht im wesentlichen auf Gründungen von Erwachsenenverbänden zurück, die für sich entsprechenden Nachwuchs sicherstellen wollen (z. B. parteipolitische, gewerkschaftliche, konfessionelle, sportliche u. ä. Verbände).

Meist führen diese Mutterverbände ihre Jugendorganisationen "am langen Zügel" und erlauben ihnen auch gemäßigt-bündische Formen, aber nur so lange, als sie ihre Gesamtziele nicht gefährdet sehen.

Dabei kann es geschehen, daß einzelne Gruppen ausbrechen und klar bündisch werden, ein meist für alle Beteiligten schmerzlicher Vorgang. Die Grenzen sind manchmal unscharf, im Zweifelsfall halte man nach einer maßgebenden Erwachsenenorganisation Ausschau, ist eine solche vorhanden, wird der entsprechende Jugendverband wohl eher eine Organisation als eine bündische Gruppe sein.

Jugendpflege

Wird im allgemeinen von kommunalen oder privaten wohlmeinenden Stellen durchgeführt, "um die Jugend vor den Gefahren der Straße zu schützen".

Ideologische oder parteipolitische Gesichtspunkte stehen dabei meist nicht direkt im Vordergrund, auch geht es nicht um Nachwuchs für irgendwelche Erwachsenenverbände. Beispiele: Jugendzentren, "Häuser der Jugend", Jugendklubs u.ä. Als Leiter sind meist Sozialpädagogen, Werklehrer u.ä. tätig. Wenn zufällig ein Bündischer in so einer Einrichtung wirkt, kann er daraus manchmal gute Leute für bündische Gruppen herausholen. Normalerweise aber steht das Jugendpflegerische dem Bündischen ziemlich fern.

Die eigentliche soziale Jugendfürsorge, also die Betreuung behinderter, schwer erziehbarer oder verwahrloster Jugendlicher ist wieder eine Welt für sich, in der allerdings heute oft bündische Führer in sozialpädagogischer Berufsarbeit Hervorragendes leisten. Mit Jugendbewegung oder bündischen Formen hat aber diese Arbeit wenig zu tun, und die Versuche, "Fürsorgezöglinge" bündisch zu führen, enden meist kläglich. Überhaupt besteht zwischen dem Grundsatz sozialer Fürsorge für alle und der Förderung Ausgesuchter, dem Verströmen und der Konzentration, ein oft mißverstandener Unterschied: auch Christus war für alle da, konzentrierte sein Wirken aber auf den ausgewählten Kreis seiner 12 Apostel. Konzentration und Auswahl nach Innen und Öffnung nach Außen bleibt immer die schwierige, aber notwendige Forderung, Hochmut immer ein Verhängnis.

Quelle:

„Bündisch ist ...
Beiträge zur Frage nach dem Bündischen“
Herausgeber:
Freies Bildungswerk Balduinstein
Burg Balduinstein 1977

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